Wolfgang Graf zu Stolberg und Wernigerode (1501-1552)
Eltern und
Geschwister
Botho III. "der
Glückselige" Graf
zu Stolberg und Wernigerode
(1467-1538) |
oo
1499
|
Anna von
Eppstein-Königstein
(1482-1538) |
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1)
Wolfgang
1501-1552 Stifter der
Harzlinie
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2) Botho IV. 1502 |
3) Anna
1504-1574 Äbtissin des Stifts Quedlinburg |
4) Ludwig II.
1505-1574 |
5)
Juliana
1506-1580 Gemahlin von: I. Philipp II. Graf zu Hanau Münzenberg
II. Wilhelm "der Reiche" Graf von Nassau-Dillenburg |
6) Maria
1507-1571 Gemahlin von Cuno Graf zu Leiningen-Westerburg |
7) Heinrich
XXI.
1509-1572 Stifter der Rheinlinie |
8) Philipp
1510-1529 |
9) Magdalena
1511-1546 Gemahlin des Ulrich Graf von Reinstein und Blankenburg |
10) Eberhard
1513-1526 |
11) Katharina
1514-1577 Gemahlin des Albrecht Fürst von Henneberg-Aschach |
12) Albrecht
Georg
1516-1587 |
13) Christoph
I.
1524-1581 |
Ehefrau und
Kinder
Wolfgang
Graf zu Stolberg und Wernigerode
(1501-1552)
|
oo
1541 |
Dorothea
Gräfin von Regenstein
(1526-1545)
|
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oo
1546
|
Genovefa Gräfin zu Wied
(1505-1556)
|
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1) Wolfgang 1544
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2) Wolf Ernst
1546-1606
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3)
Botho V.
1548-1577
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4) Johann
1549-1598
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5)
Anna
1550-1623 Decanissin des freiweltlichen Stiftes Quedlinburg
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6)
Heinrich XXII.
1551-1625
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Wolfgang,
Graf zu Stolberg und Wernigerode, Sohn des Grafen
Botho des Glückseligen und der Anna, geb. Gräfin von
Königstein-Eppstein, Stifter der Wolfgangischen oder Harzlinie des
Hauses, geboren am 1. Oktober 1501 auf Schloß Stolberg, gest. am
8.April 1552 auf Schloß Allstedt. Nachdem er die
zartesten Kinderjahre am Süd- und Nordharz verlebt hatte, wurde
der
Knabe schon im 7. Jahre auf längere Frist der Großmutter
Loys
(Luise) geb. Gräfin von der Mark-Rochefort und dem Oheim Graf
Eberhard von Königstein zur Erziehung anvertraut und
sorgfältig unterwiesen. Aus rein wirtschaftlichen Gründen
beschloß der Vater, auch diesen erstgeborenen Sohn geistlich
werden zu lassen, nicht damit er es bleibe, sondern um ihn erst gut zu
versorgen und dann später zu prüfen, welcher unter seinen
Söhnen am meisten Geschick zum weltlichen Regiment offenbaren
würde und diesen dann in den weltlichen Stand zurückkehren zu
lassen. Die geistliche Vorbildung Wolfgangs ist also nicht in tieferem
christlich-religiösem Sinne, sondern nach dem Geist und
Maßstab der damaligen Kirche zu verstehen: er wurde bis zur
Stufe des Subdiakons gefördert, im übrigen von vorn herein
bei
der Vorbildung sein zukünftiger weltlicher Lebensberuf ins Auge
gefasst, der ihm doch, als dem Erstgeborenen, mutmaßlich zufallen
sollte. Aus rein ökonomischer Berechnung scheute der Vater keine
Ausgaben für Provisionen bei geistlichen Stiftern und für
päpstliche Dispense wegen zu jugendlichen Alters zur Erlangung
geistlicher Prälaturen oder zur Häufung geistlicher
Ämter
an verschiedenen Orten auf ein und dieselbe Person. Seitdem im Jahre
1510 Graf Botho mit der päpstlichen Fuggerbank in Rom einen festen
Vertrag wegen Erhebung der Ablassgelder abgeschlossen hatte, war die
Erlangung solcher durch Kurtisanen vermittelten Dispense wohl gesichert
und gelangte bei fast allen Söhnen Bothos und bei seiner Tochter
Anna, Äbtissin von Quedlinburg, zur Verwirklichung.
So wurde denn Wolfgang 1512 zehnjährig als Domherr zu
Halberstadt aufgenommen, zwei Jahre danach bei Lebzeiten des dortigen
Dompropstes Balthasar von Neustadt zu dessen Koadjutor befördert.
Abermals nach zwei Jahren, nachdem Balthasar von Neustadt im Oktober
1516 verstorben war, wurde Wolfgang Dompropst, d.h. der 15jährige
Jüngling erlangte die Würde und die Einkünfte dieses
geistlichen Amts, das von einem Vicar versehen wurde. Dem Hause
Stolberg
gereichte diese Prälatur dadurch zum Nutzen, dass Wolfgang sich
als
Verwalter der dompropsteilichen Ämter Dardesheim und Harsleben auf
seine zukünftige Aufgabe als Haushalter vorbereitete. Bei der
Halberstädter Propstei blieb es nicht, sondern der väterlich
sorgende Onkel in Königstein wusste ihm auch durch ein
vorteilhaftes Abkommen mit dem kränklichen Dompropst Engelbert
Erckel von Naumburg die Koadjutorie für dieses Amt zu verschaffen,
in dessen Besitz und Nutzungen er auch ums Jahr 1517 langte.
Seit dem Bauernaufruhr war Wolfgang - bei der Nachbarschaft von
Halberstadt und dem dompropsteilichen Ämtern bei der Grafschaft
Wernigerode - in der Lage, seinen Vater bei dessen Bemühen,
das Klosterwesen innerhalb dieser Grafschaft zu bringen, kräftig
zu
unterstützen.
Jene große, besonders die südharzischen Gebiete der
Grafschaft, teilweise aber auch die nordharzischen, tief
aufrührende Bewegung der Bauern brachte den noch so jugendlichen
Grafen vorübergehend in eine sehr schwierige und missliche Lage.
Sein Vater, der vom 2. - 4. Mai 1525 gezwungen worden war, erst die
Artikel der Bauern, dann die der aufgestandenen Bürger von
Stolberg
anzunehmen, wurde von seinem Oberlehnsherrn Herzog Georg von Sachsen
gedrängt, ihm und den gegen die Bauern verbündeten
Fürsten bewaffneten Zuzug zu leisten. Als es ihm am 11.Mai
gelungen war, 20 Reiter und 50 Mann zu Fuß aufzubringen und diese
unter seinem Sohne Wolfgang derKriegsmacht Herzog Georgs und seiner
Verbündeten zuzuführen, wurde Graf Wolfgang von Abgesandten
des Bauernheeres genötigt, zu ihrem Haufen zu ziehen,
widrigenfalls
sie, wie Münzer drohte, die Dörfer der Grafschaft
Stolberg "puchen" oder verwüsten wollten. Als er im
Bauernlager angekommen war, umzingelte man den jungen Grafen mit den
Seinigen als Geiseln und forderte vom Grafen Botho Geschütz und
Pulver. Da sie im Weigerungsfalle ihm den Sohn zu töten drohten,
sandte ihnen Graf Botho eine alte Steinbüchse und 20 Pfund
Pulver. Als nun am 15.Mai, also nach wenigen Tagen, das
Bauernheer geschlagen war, wurden Graf Wolfgang und die Seinigen mit
den
Bauern gefangen genommen und hatten unter dem Zorn des Herzogs Moritz
und des Grafen Ernst von Mansfeld zu leiden, besonders des letzteren,
dessen Besitzungen durch die Bauernschar stark gelitten hatten. Es
kostete einige Zeit und Mühe, um ein gutes Verhältnis
zwischen Wolfgang und seinem Vater einerseits, und Herzog Georg und
Graf
Ernst von Mansfeld andererseits wieder herzustellen.
Nach dem Bauernsturm fiel die Unterstützung des alternden und im
Dienste Kardinal Albrechts viel in Anspruch genommenen Vaters um so
mehr
dem ältesten Sohne zu, als den nächsten Bruder Ludwig seine
Geschäfte meist im Königsteinschen zurückhielten. Sein
eigentliches schweres Lebenswerk begann aber im Jahre 1538, als am
18.Juni des Jahres der Vater das Zeitliche gesegnet hatte. An die
Stelle des einen Herrn, der als musterhafter Wirtschafter das Regiment
einheitlich geführt hatte, traten nun fünf Brüder, die
gleiches Geburtsrecht hatten, wenn auch der dritte Sohn Heinrich, als
geistlicher Herr im Jahre 1528 durch einen Verzicht vom weltlichen
Regiment zurückgetreten und Christoph, der jüngste, noch
unmündig war und zunächst unter des ältesten Bruder
Vormundschaft stand. Dazu kam, dass der zweite der Brüder, der
geschäftstüchtige Graf Ludwig, durch die Verwaltung des an
ihn
allein gelangten Königsteinschen Erbes meist von den
Stammbesitzungen am Harz ferngehalten und von vielen Geschäften in
Anspruch genommen wurde. Endlich war auch ansehnlicher Schulden wegen
eine einsichtsvolle, einheitliche Ordnung des Regiments ein dringendes
Bedürfnis.
Diese Umstände brachten denn auch die Brüder zu der Einsicht,
dass sie, ohne von ihrem Rechte als gleichgestellte regierende Herren
zurückzutreten, einem unter ihnen als einem gemeinsamen Haushalter
die Leitung des Regiments anvertrauen müssten. Da nun Graf
Wolfgang, als der älteste dazu an erster Stelle berufen war, so
wurde ihm durch eine am 26. August auf Schloß Stolberg getroffene
Vereinbarung die Führung des Haushalts mit Festsetzung genauer
Bestimmungen auf ein Jahr übertragen und alsbald auch ein genaues
Inventarium über den väterlichen Nachlaß aufgenommen.
In
gleichem Sinne wurden am 16. März 1540 und 1. November 1541 neue
Vergleiche getroffen und dem ältesten Bruder die Leitung der
gemeinsamen Angelegenheiten gelassen. Als dem Grafen Wolfgang
aber
die Aufgabe etwas schwer wurde, baten ihn die Brüder am 21.
Februar 1543, die Führung des Haushalts noch bis Michaelis zu
behalten; von da an sollte er auf je ein Jahr an die Brüder
Ludwig,
Albrecht Georg, und Christoph gelangen. Dazu kam es aber nicht,
vielmehr wurde durch einen neuen, ungemein umständlichen Vergleich
dem ältesten Bruder das Regiment auf neun Jahre übertragen,
deren Ablauf er nicht mehr erlebte.
Erwägen wir die ausgeprägten verschiedenen Charaktere der
Brüder und die finanziell ungünstige Lage des Hauses, so
müssen wir es als etwas Außerordentliches ansehen,
dass
während des vierzehnjährigen Regiments Graf Wolfgangs auch
nicht die Spur eines Missverständnisses unter den Brüdern
hervortritt, vielmehr jeder an seinem Teil dem gemeinsamen Interesse
dient. Unzweifelhaft hatte dabei Wolfgang selbst das größte
Verdienst: stets drängte er auf Zusammenkünfte der
Brüder
und gemeinsames Handeln, nichts will er für sich allein, ohne der
Brüder Einverständnis vornehmen. Bezeichnend ist es für
ihn, dass er gelegentlich bei gemeinsamen Schäden durch Krieg und
Fehde zunächst von den Schäden seiner Brüder und
dann erst seinen eigenen redet. Seine treue geschwisterliche
Gesinnung war jedenfalls dabei an erster Stelle beteiligt, wenn unter
seiner Leitung den beiden geistlichen Herren, die auf die Herrschaft
verzichtet hatten, den Domdechanten zu Köln und dem
Dompropst Christoph zu Halberstadt, alle Titel und Ehren des Hauses,
die Nennung ihres Namens auf den Münzen, die Teilnahme an allen
brüderlichen Zusammenkünften und am Bergwerksgewinn
zugebilligt wurden, um ihnen ihr brüderliches Entgegenkommen zu
beweisen und die Verzichte allen nicht unmittelbar eingeweihten
Personen
gegenüber zu verdecken. So geschah es noch bei zwei am 10.
August 1551 zu Wernigerode getroffenen brüderlichen Vergleichen,
den letzten, an denen Wolfgang teilnahm. Dieselbe Rücksicht
auf die geistlichen Brüder waltete bei der drei Jahre früher,
am 19. März 1548, geschlossenen stolbergischen Erbeinigung. Mit
dem Tode Graf Eberhards, des letzten Grafen von
Königstein-Eppstein, war das Königsteinsche Erbe dem Hause
Stolberg zugefallen; es war aber ein das Erbrecht des Gesamthauses
unter Umständen gefährdender Umstand, dass ein bestimmter
Neffe des Erblassers, und zwar nicht Graf Wolfgang, als der
älteste, sondern dessen jüngerer Bruder Ludwig namentlich als
Erbe eingesetzt war. Da nun bis zum Jahre 1548 dem Grafen Ludwig,
abgesehen von einem bald nach der Geburt wieder verstorbenen Sohne, nur
Töchter geboren wurden, so stieg die Sorge, dass nach Graf Ludwigs
Tode für die Erbfolge seines Hauses Schwierigkeiten entstehen
könnten. Um nun das große Königsteinsche und von der
Mark-Rochefortsche Erbe fester an das von ihm innigst geliebte
angestammte Vaterhaus zu binden, schloß Graf Ludwig am genannten
Tage mit seinen Brüdern auf Schloß Stolberg einen Erbverein,
worin er sie alle als Erben seiner Graf- und Herrschaften anerkennt,
während den Töchtern gegen ihre Verzichte angemessene Summen
Geldes ausgesetzt werden. Die Festigkeit dieser Verbindung suchte man
dadurch zu erhöhen, dass die Mannessprossen hinfort alle, die sich
seit 1429 nur Grafen zu Stolberg und Wernigerode genannt hatten, die
Anspruchstitel Grafen von Königstein, Herren zu Eppstein,
Münzenberg, Breuberg, Rochefort (Rutschefort), Agimont, Herbimont
führen sollten, auch die geistlichen Brüder. Es wurde auch
deshalb ein diesen Ansprüchen gemäßes neues
Stammeswappen gebildet und von Kaiser Karl V. bestätigt.
Während zu dieser Erbeinigung Wolfgangs Bruder Ludwig den
Anlaß gegeben hatte, war es nun am allermeisten er selbst, der
auf
alle mögliche Weise der Schuldenkrankheit entgegenzuarbeiten
suchte. Dazu sollten kühne Handelsunternehmungen dienen. So trat
er
im Juli 1548 mit Hans Schlitte aus Goslar, einem Gesandten des
Großfürsten Iwan Wassiljowitsch des Grausamen von
Russland in Verbindung, um die vom Zaren vermittelten Waren zu
erhandeln und dagegen andere, nach Russland einzuführen.
Insbesondere soll Schlitte die ausschließliche Einfuhr aller in
den Schäfereien der Stolbergischen Lande und Pfandschaften
gefallenen Wolle nach Russland vermitteln. Nicht zuletzt durch die
Eifersucht deutscher Mitbewerber wurde dieses Bemühen
vereitelt.
Nicht weniger kühn war der Plan eines großen deutschen
Ochsenhandels nach der Walachei oder den
Donaufürstentümern. Den Anlaß gab eine Schuldforderung
der Grafen bei dem Kurfürsten Joachim II. von Brandenburg. Da an
eine Bezahlung seitens dieses Oberlehnsherrn nicht zu denken war, so
beredete Graf Wolfgangs Rat Dr. Schüßler im Jahre 1548 mit
dem auf dem Reichstage zu Augsburg anwesenden Kurfürsten den Plan
eines nach der Walachei - es scheint sich allerdings um die Moldau
gehandelt zu haben - zu unternehmenden Handels mit Ochsen, wobei der
Kurfürst den Grafen gewisse Sicherungen und Vorteile
gewährte,
durch deren Benutzung sie sich leicht bezahlt machen konnten. Nun
ergeben die Quellen, dass Graf Wolfgang einen ausgedehnten Ochsenhandel
durch die Mark, Pommern, Schlesien und weit nach Polen hinein betrieb;
dass es sich dabei aber um jenen Handel nach der Walachei oder Moldau
gehandelt habe, ist nicht zu ersehen. Jedenfalls war dieses
Geschäft ein lebhaftes und erstreckte sich auch westlich und
südlich ins Reich. Die ausgedehnten Bergweiden im Harze, besonders
auf der Lange südlich Elbingerode, wo es auch ein gräfliches
Gestüt gab, kamen dabei zur Verwertung. Von anderen
Handelszweigen ist besonders der Holzhandel zu erwähnen, den man
teilweise seit den dreißiger Jahren gemeinsam mit dem Grafen
Ulrich von Regenstein betrieb, mit Holzreiten zu Hasselfelde und
Blankenburg. Auch hatte man eine besondere Holzniederlage zu
Wernigerode. Mit kühnem Wagen suchte man das Holz von den schwer
zugänglichen Höhen des Brockens zu Tal und ins Land zu
fördern. Mit den Grafen von Mansfeld trieb man einen ausgedehnten
Holzkohlenhandel, da die Mansfelder dieses Materials sehr dringend
für ihre Bergwerke bedurften.
All dieser Handelsbetrieb aber wurde weit überboten durch das bis
zur Leidenschaftlichkeit und mit sanguinischen Hoffnungen verfolgten
Bergwerkswesen. Schon zur Zeit Graf Bothos, dessen Schürfordnung
von 1537 die Gründung einer neuen Bergstadt im Brockengebiet in
Aussicht nimmt, begann diese Steigerung in bergmännischen
Unternehmungen; unter dem Grafen Wolfgang stiegen sie aber mit reger
Beteiligung der Brüder zur äußersten Höhe.
Höchst merkwürdig war die unter dem Schutze Erzbischofs
Hermanns von Köln stehende und von dessen Domdechanten Graf
Heinrich zu Stolberg dem Grafen Wolfgang und den übrigen
Brüdern im Jahre 1547 dringend empfohlene Kölnische
Gesellschaft von der Edlen Wasserkunst behufs des Schmelzens und
Seigerns in den Bergwerken. Die Grafen, die sich selbst daran
beteiligten, übernahmen es auch, dieses Unternehmen nach den
deutschen Ostmarken und in die polnisch-slawischen Lande hinein zu
verbreiten. Mit gewissen Einschränkungen wurde zu diesen
Unternehmungen auch den im geistlichen Stande lebenden Brüdern zur
Zutritt gestattet. Selbst an auswärtigen Bergwerken, so zu
Andreasberg, Siegen und in Lothringen, hatten die Grafen Anteile und
bezogen Arbeiter aus den Niederlanden, der Eifel und aus Siegen.
Kriegerische Ereignisse nahmen den Grafen Wolfgang und seine Lande erst
seit den vierziger Jahren in Anspruch. Der Zug der Schmalkaldener gegen
Herzog Heinrich d.J. von Braunschweig ging durch die
Stolbergischen Lande. Eine Folge desselben war es, dass auf ein paar
Jahre, von 1542 - 1544, die Pfandschaft Harzburg, die der Herzog dem
Hause bis dahin vorenthalten hatte, an Stolberg gelangte. Ernster wurde
die Lage Graf Wolfgangs und des Hauses Stolberg, als des Kaisers Karl
V.
Absichten zur Bekämpfung der Reformation im Jahre 1544 deutlicher
hervortraten, worauf der bekannte Nordhäuser Bürgermeister
Mich. Meyenburg den Grafen zu Ende des Jahres aufmerksam machte. Dieser
Gefahr zu begegnen, erstrebte nun der dem Hause Stolberg
persönlich
sehr nahe stehende Erzbischof Hermann von Köln eine feste
allgemeine Verbindung der reformationsverwandten Grafen und rechnete
dabei besonders auf die Harzgrafen, zumal auf die stolbergischen
Vettern, Graf Wolfgang an ihrer Spitze. Durch dessen Bruder, den
Kölner Dechanten Heinrich zu Stolberg, lud er Anfang Februar 1546
zu einer in der Stadt Nordhausen am 1. März des Jahres
abzuhaltenden Tagung der Harzgrafen ein, um hier am nächsten Tage
wegen seiner und der Seinigen, auch ihrer, der Grafen selbst,
anliegenden Beschwerungen ihn selbst und seine Abgeordneten
anzuhören, darauf mit anderen Grafen und Herren sich zu unterreden
und einander beirätig und hilfreich zu sein, was zur
Förderung der Ehre Gottes, Pflanzung und Erhaltung des Friedens,
Ruhe und Einigkeit im Vaterland der deutschen Nation, auch des
gräflichen Standes und beschließlich zu allem, was zu
zeitlicher und ewiger Wohlfahrt dienlich sein möge. Auch empfahl
er, dass die Harzgrafen durch Abgeordnete zum Zweck einmütigen
Zusammengehens mit dem zweiten Grafentage in Oberwesel in Verbindung
träten, so dass alle Harz- und thüringischen Grafen
einheitlich mit dem rheinischen Grafen zur Erhaltung ihres
Standes
und zum Wohle des gemeinsamen Vaterlandes zusammenständen.
In gleichem Sinne trat er auch - ebenfalls durch den Dechanten Heinrich
- am 26. Februar mit dessen Bruder Graf Ludwig zu Königstein in
Verbindung.
Aber nicht durch Eintracht und auf friedlichem Wege sollte das
erstrebte Ziel erreicht, sondern auf Umwegen und nach schweren
Kämpfen der evangelischen Freiheit eine Gasse gebahnt werden. Als
Herzog Moritz von Sachsen beim Beginn seiner politischen
Schachzüge
sich den Auftrag hatte erteilen lassen, die Lande seines Vetters, des
geächteten Kurfürsten Johann Friedrich, zu besetzen, bot er
auch seinen Lehnsmann Graf Wolfgang zu Stolberg auf, so stark er und
sein Haus zu dienen schuldig sei, im Zuzug zu leisten, was auch
geschah. Unterm 6. November 1546 legte Kurfürst Johann
Friedrich gegen diese "nichtige" Acht Verwahrung ein und forderte
seinerseits den Grafen Wolfgang und andere Harzgrafen auf, sich trotz
des Kaisers zur Erhaltung von Gottes Wort und der wahren christlichen
Religion und des Reichs Freiheit zu beweisen. Als Wolfgang am 17.
November dieses Schreiben erhielt, befand er sich in einer überaus
schwierigen Lage. Wie anderen treuen Bekennern der Reformation erschien
auch ihm der Kurfürst als Beschützer des evangelischen
Bekenntnisses, und doch hatte er dem Herzoge Georg als Oberlehnsherrn
Treue geschworen und seine Lehnmannen ihm gesandt. Alsbald stellte er
dem Kurfürsten seine schwierige Lage vor, sprach über den
Stand der Dinge sein tiefstes Bedauern aus und gab der Hoffnung
Ausdruck, dass Gott Mittel und Wege finden werde, dem Übel
abzuhelfen. Er wisse selbst keinen Rat, wolle aber höhere
Reichsstände um Rat anrufen, was er denn auch sofort tat. Gewiss
redete er aus tiefster Überzeugung, wenn er dem Kurfürsten
versicherte, dass er sich gegen Gottes Wort, die wahre Religion und die
Wohlfahrt des gemeinsamen Vaterlandes mit Willen und Wissen nicht
wolle gebrauchen lassen.
Ehe es zu einem Vermittlungsversuch kommen konnte, hatte der schnelle
Gang der Ereignisse eine veränderte Lage geschaffen. Kurfürst
Johann Friedrich hatte, aus Süddeutschland
zurückgekehrt, nicht nur bald seine Lande wieder erobert,
sondern war auch schon mit der Einnahme der Besitzungen und Lehen
seines
Vetters beschäftigt. Dabei hatte er auch die stolbergischen
Hilfsmannschaften aufheben und nach Eisenach und Waltershausen schaffen
lassen. Ihre Unterhaltung musste der Graf bestreiten; seine
südharzischen Besitzungen wurden mit schwerer Schatzung belegt,
auch die Pfandschaften Allstedt und Harzburg vom Kurfürsten
weggenommen.
Schwerer als all diese Verluste traf den treuen, gewissenhaften Grafen
das Verlangen des Kurfürsten, ihm zu huldigen, nachdem er nicht
gar
lange vorher dem Herzog Moritz die Treue geschworen hatte.
Nachdem
er erst seinen Rat Dr. Schüßler vergeblich wegen einer
Vermittlung an den Kurfürsten gesandt hatte, begab er sich
selbst zu diesem in das Lager bei Heldrungen, um einen Erlaß
dieses Eides oder um eine Linderung nachzusuchen. Als das
nicht zu erreichen war, entschloß er sich endlich, für sich
die Pflicht zu leisten, wenn er es nur nicht auch im Namen seiner
Brüder tun müsse. Es war alles umsonst: schweren
Herzens musste Wolfgang am 25. Januar 1547 dem Kurfürsten zu
Stötteritz vor Leipzig huldigen. Nachdem infolge des
Treffens
bei Mühlberg der gewaltige Umschlag erfolgt und Herzog Moritz an
Johann Friedrichs Stelle zum Kurfürsten erhoben war,
bevollmächtigte Wolfgang zu Wernigerode am 12. Juli d.J. seinen
Bruder Albrecht Georg, in seinem Namen dem neuen Kurfürsten zu
huldigen, nachdem Johann Friedrich ihn und seine Brüder mit Gewalt
genötigt habe, ihm Pflicht zu tun.
Im weiteren Verlauf der kriegerischen Ereignisse wurden zwar Graf
Wolfgang und seine Lande durch Schatzungen, auch vom Durchzuge von
Kriegsvolk und den Abzug der vor Magdeburg abziehenden Landsknechte
mehrfach in Anspruch genommen; es war aber hinfort mehr die
religiös-kirchliche Frage als die unmittelbare Berührung mit
dem Waffenspiel, was den Grafen Wolfgang und seine Brüder hierbei
tiefer berührte. Für die Beurteilung der hochwichtigen
Frage nach dem inneren Verhältnisse des Grafen zur Reformation
scheint darin eine Schwierigkeit zu liegen, dass er bis zur
Niederlegung
seiner geistlichen Prälaturen im Jahre 1538, d.h. während der
weitaus größren Hälfte seines Lebens, nach außen
hin mit seinem inneren Bekenntnisse nicht hervortreten durfte.
Trotzdem steht fest, dass er, der im Frühjahr 1521 mit seinem
Bruder Ludwig - wie Luther mit Interesse seinem Freunde Spalatin
meldete
- die Universität Wittenberg bezog und im Sommer d.J. ihr
Ehrenrector wurde, von da ab mitsamt seinen Geschwistern ein treuer
Jünger der Reformation blieb. Derselbe Dr. Tilemann Plathner, der
damals unter ihm Vicerector war, blieb bis ans Ende der oberste und
leitende Prediger und Pfarrer zu Stolberg, und Männer wie Johann
Spangenberg, Justus Jonas, auch ein Michael Meyenburg in Nordhausen,
waren und blieben die Freunde und Gesinnungsgenossen der Herrschaft.
Der theologisch gebildete Herzog Georg von Sachsen wusste wohl, was er
tat, wenn er von 1522 an dem Vater Wolfgangs die kaiserlichen Mandate
zur Unterdrückung der Reformation zugehen ließ und ihm noch
im Jahre 1537 wegen seines Verhaltens in Kirchensachen Vorstellungen
machte, aber der Graf ließ seine Gesandten sich selbst von der -
äußeren - Gestalt des zu Stolberg gebräuchlichen
Gottesdienstes überzeugen. Diese ließ die hergebrachte Form,
die Messgewänder, die alte Form der Beichte und Absolution beim
Abendmahl bestehen, aber in die alten Formen war seit der Reformation
ein neuer Geist gegossen. Hinsichtlich der Priestergewänder und
der
äußeren Gestalt des Abendmahls können wir das
Fortbestehen der alten Form unter Graf Wolfgang noch im Jahre 1548
nachweisen.
Ein nicht unwichtiger Unterschied bestand aber zwischen Graf Botho und
den jüngeren Geschlecht doch: Als er mit seinen Söhnen
Wolfgang und Ludwig beim Wormser Reichstag war, schrieb Graf Botho
seiner Gemahlin: "Wir" - er meinte seinen Herrn, den Kardinal Albrecht
und sich - "waschen uns die Hände", d.h. wir lassen uns
nicht
auf die tieferen religiösen Fragen, um die es sich damals
handelte,
ein. Anders Wolfgang und Ludwig: sie kamen als Zöglinge der
Luther-Universität und bekannten sich zur evangelischen Wahrheit
und blieben dabei, ließen sich auch gelegentlich von den
Reformatoren belehren, wie das beim Grafen Ludwig am 25.April 1522 in
so
köstlicher Gestalt durch Luther geschah. Für die
stolbergischen Lande war die nach außen hin wegen der
Prälaturen zu nehmende Rücksicht ihrer Landesherren kein
Hemmnis für den Fortgang der Reformation. Ohne irgendwelche
Hinderung konnte schon seit 1524 die alte Gestalt des
Meß-Gottesdienstes in Stolberg ebenso wie in Wernigerode
aufhören und die Reformation ihren friedlichen Einzug halten. Am
12. Februar 1528 kann bezeugt werden, dass im
gräflich-stolbergischen Gebiete das Wort Gottes im
reformatorischen
Sinn lauter gepredigt wurde. Da sich Graf Wolfgang aber außerhalb
der stolbergischen Lande wegen seiner dompropsteilichen Ämter
durch
die Rücksichtnahme auf das Bekenntnis der Kirchenfürsten
gebunden fühlte, so konnten hier Missstände eintreten. Das
war z.B. in Naumburg der Fall. Hier hatte seit 1525 die
Kirchenerneuerung bei der Bürgerschaft Eingang gefunden. Da
nun aber die Stadtkirche zu St. Wenzel daselbst der Dompropstei
einverleibt war und Graf Wolfgang als Dompropst nicht öffentlich
für die Reformation einzutreten wagte, so hatte schon ein
evangelischer Prediger weichen müssen. Als dann später im
religiös-kirchlichen Interesse der Rat den Dompropst um gewisse
Vergünstigungen bat und Wolfgang zögerte, sie zu
gewähren, sprach der Rat offen seine Verwunderung darüber
aus, "weil sie nit anders erfahren, denn dass seine Gnaden das ewig
klare lautere Wort Gottes auch zu fördern sonderlich geneigt sei"
(13.April 1534).
Als im Jahre 1538 der Vater gestorben war und Graf Wolfgang seine
geistlichen Würden abgetreten hatte, bedurfte es überall
solcher Rücksichten nicht mehr, und gleich bei der ersten
Vereinigung der Brüder am 26. August wurde bei der
Übertragung
des Regiments an den Grafen Wolfgang als oberster Grundsatz
hingestellt,
dass "heilig Wort und die Ehre Gottes innerhalb der gräflichen
Herrschaft allenthalben zugelassen, gepflanzt und gefördert
werde". Wenn es also noch galt, hie und da die Predigt des Wortes
zuzulassen und das Evangelium zu pflanzen, so bezieht sich das wohl im
Wesentlichen nur auf Klöster und Stifter und die davon
abhängigen Kirchen, wo hie und da nach zu bessern war. Noch kurz
vor Graf Bothos Tode vergleicht sich am 29. März 1538 Graf
Wolfgang
mit dem Rat zu Wernigerode wegen der Pfarrbestellung zu Unserer Lieben
Frauen und der Schule bei St. Silvester daselbst, die der Rat beide auf
sich nimmt. Das Kapitel übergibt dem Rat zwei Häuser für
den Geistlichen und Rektor, und der Graf fügt zum Gehalt für
beide je fünf Gulden hinzu. Die oberste Leitung der
kirchlichen und Schulangelegenheiten stand dem Grafen zu, aber bei der
von Rat und Gemeinde ausgehenden Bildung des reformatorischen
Kirchenwesens und den von diesen gebrachten Opfern entwickelte sich ein
freieres Zusammenwirken von Herrschaft, Rat und Gemeinde.
Zu
festen konsistorialen Ordnungen kam es zu Wolfgangs Zeit noch nicht,
eigentlich organisiert haben sie auch später für die gesamten
stolbergischen Besitzungen nur für kürzere Zeit bestanden;
auch das Schulwesen erfreute sich seitens Graf Wolfgangs einer
eifrigen Förderung. Zu Wernigerode war beim Beginn von Graf
Wolfgangs Regiment der tüchtige Autor Lampe, durch den Wolfgang
auch seinen Bruder Christoph in der Figuralmusik unterweisen
ließ,
der erste namhafte Rektor. Zu Ilfeld wirkte seit 1551 der treffliche
Schulmann Michael Neander als Rektor; auch die Anfänge der
Ilsenburger Klosterschule fallen in Graf Wolfgangs Zeit.
Wenn Wolfgang die äußere überlieferte Form des
Gottesdienstes bestehen ließ und insofern im Jahre 1548 dem
Kaiser
gegenüber der Wahrheit gemäß sagen konnte, es sei in
den
Kirchen seiner Herrschaft am Gottesdienst wenig geändert worden,
so hatte das mit dem evangelisch -reformatorischen Bekenntnis nichts zu
tun; zu diesem stand er mit aller Entschiedenheit und Treue. Das
spricht er seinem Bruder Ludwig gegenüber gelegentlich sehr
deutlich aus. Dieser als kaiserlicher Rat in der Diplomatie
geübte Herr und durch sein Verhältnis zu Mainz, auch wegen
seiner niederländischen Besitzungen gebunden, hatte sich gedrungen
gefühlt, den "kaiserlichen Ratschlag", d.h. das Augsburger
Interim,
in seinen Königsteinschen Besitzungen anzunehmen. Als Wolfgang
davon hörte, schrieb er seinem Bruder am 25. Oktober 1548: "Das
Interim betreffend bin ich der Antwort fast doch erschrocken, denn zu
besorgen, was Ihr itzunt vermeint zu umgehen, dass Ihr darnach mit
größerer Ungnade damit werdet beladen werden; und wäre
meines Erachtens besser davor zu bitten gewesen, wiewohl ich aus was
Ursach diese Antwort gegeben nit wissen kann, will auch nochmals mit
Rat der Gelehrten ferner darauf bedenken, freundlich bittend, mich
deines Gemüts ferner hierin zu erklären, denn mit der
Seelen nit zu scherzen, dieweil der Teufel so scharfe Klauen hat und
das Feuer so heisch (heiß)." Nochmals fragte er am 19.
November d.J. bei dem Bruder an: "Bitte dich ganz freundlich, wollest
mich berichten, wie es nunmehr mit dem Interim steht, denn hier
innen befinde ich wenig, die es annehmen werden", und etwas weiter
erklärt er dem Bruder: "Des Interims halber trage ich Sorge, dass
diese Lande mögen Verfolgung leiden", "doch hat" fährt
er fort, "Gott das Spiel alles in seiner Hand. Und möchte gern
wissen, ob Ihr draußen noch Gott kennt oder nit, denn hier
allerlei geredet wird".
Daß diese religiöse Wärme und Entschiedenheit auf dem
Grunde eines persönlichen und andächtigen Gebetslebens ruhte,
daran werden wir gelegentlich lebhaft erinnert. Dienstag nach
Palmsonntag (8.April) 1544 übersendet ihm seine Schwester, die
Äbtissin Anna von Quedlinburg, mit der er fortwährend in
Verkehr stand, ein zugesagtes, also doch wohl erbetenes, mit Buckeln
und
Gläserchen wohl verziertes Gebetbuch, "auf das Euer Liebden in
der Marterwoche desto andächtiger sei".
Aus hauswirtschaftlichen Gründen stand Wolfgang von Bewerbung um
kirchliche Stellen für den Bruder Christopf auch damals noch nicht
ab, obwohl man religiöse Bedenken darüber zu
äußern
begann. Wenn er aber hoffte, dass sein Bruder zum Bischof
von Halberstadt gewählt werden könnte, wofür auch ein
paar Stimmen gewonnen wurden, so hätte ein solcher Erfolg ohne
Zweifel das Reformationswerk in jenem Stift sehr gefördert.
Von den höheren Bediensteten, mit denen er nicht zu wechseln
pflegte, übernahm Wolfgang die meisten aus des Vaters Zeit, so den
Geistlichen Dr. Tileman Plathner und den bei der römischen Kirche
verbleibenden, aber evangelisch gesinnten Halberstädter Official
Heinrich Horn, von weltlichen Räten den Dr. Valentin v.
Sundhausen,
erst Rat von Haus aus, der dann nach Wernigerode zog und hier
verstarb. Auf ihn folgte der überaus tätige und
unternehmende Dr. Franz Schüßler aus Nordhausen. Auch der
Hauptmann Hans Keller und später Dietrich v. Gabenstedt in
Wernigerode, sowie in Stolberg Heinrich v. Rüxleben standen ihm
näher.
Über Wolfgangs Wesen und Persönlichkeit sind uns verschiedene
gleichzeitige Urteile überliefert. Wenn Kurfürst Moritz von
Sachsen seiner Großmut gedenkt, so bewies er diese
ganz besonders gegen seinen Schwager, dann Schwiegervater Graf Ulrich
v.
Regenstein, dem er trotz eigener schwieriger Lage die
Pfandschaftsämter Derenburg, Stiege und Hasselfelde ließ
oder
wiedergab und ihm treue Liebe und Freundschaft bis zum Grabe
bewahrte. Der gelehrte Mediziner Janus Cornarus, der ihn aus
persönlichem Verkehr kannte, rühmt seine Herzensgüte.
Wenn der mit den stolbergischen Persönlichkeiten vertraute, aber
etwas später (1578) schreibende Mag. Matth. Absdorf in ihm des
Vaters Ebenbild erkennt, so dürfte das auf seine Besonnenheit und
Milde zu beziehen sein. Bei den Untertanen war er entschieden beliebt;
wir sehen ihn wohl den Wernigeröder Rat bei sich zu Gaste haben,
andererseits auch den Rat ihm Getränk vom Ratskeller spenden. Die
Gesellschaft der Büchsenschützen in Wernigerode
bestätigt
er 1541, etwa 1546 die Schützengesellschaft zu Veckenstedt.
Gelegentlich erinnerte er daran, dass man nicht versäume, den
schwere Arbeit leistenden Herrendienstleuten den ihnen zukommenden
Trunk
zu reichen.
Graf Wolfgang war zwei Mal vermählt, zuerst mit der erst
15jährigen Dorothea v. Regenstein, mit der er im Juni 1541 zu
Wernigerode die Heimfahrt oder Hochzeit feierte und die ihm 1544 ein
nach dem Vater genanntes, aber bald danach wieder dahinscheidendes
Knäbchen schenkte. Nachdem dann im nächsten Jahre der Tod der
erst neunzehn Jahre alten Gemahlin diesen Bund gelöst hatte, war
es
die Sorge um den Fortbestand des Hauses, die seinen treuen Bruder
Ludwig
veranlasste, dem Vereinsamten zu einer möglichst baldigen
Wiederverheiratung noch vor Ablauf des Trauerjahres zu raten und ihm
dabei seine Schwägerin Genoveva v. Wied zu empfehlen. Was den
Grafen Ludwig zu diesem Rat bestimmte, liegt auf der Hand. Nach der
Gräfin Dorothea Dahinscheiden lebte kein vermählter
Mannssproß des Hauses Stolberg, von welchen sich ein Sohn zur
Fortpflanzung des Geschlechts erwarten ließ; zwei Brüder
lebten als Prälaten, Albrecht Georg schien dem ehelichen Stande
abgeneigt. Wolfgang erfüllte des Bruders Wunsch und begab
sich, ohne die ihm als zukünftige Genossin zugedachte Gräfin
vorher gesehen zu haben, im November des Jahres 1549 nach
Königstein, wohin die Gräfin Genoveva eingeladen war. Am 4.
Dezember fand die Eheberedung, am 15.Januar 1546 die Hochzeit statt.
Die
Gesinnung, in der sich Graf Wolfgang zu dem neuen Ehebunde
entschloß, ist ein Zeugnis seines ernsten, frommen Gemüts.
Auf Ludwigs Bemerkung, dass er sich sein künftiges Gemahl
erst anschauen und sie kennen lernen müsse, erwiderte er:
"Daß ich die Person erst sehen soll, acht ich ohne Not, denn ich
laß den Allmächtigen hierinne gewalten. So frei ich nit Guts
halber, sonder mehr Freundschaft, und dass ich achte, dass es Gott also
verstehe" (21. November 1545).
Dem Ehebunde, dem nur eine Frist von wenig über sechs Jahren
vergönnt war, erblühte reicher Leibessegen in vier
Söhnen
und einer Tochter. Auf den erstgeborenen Wolfgang Ernst (geboren am 30.
November 1546, gest. am 10.April 1616) ging die wissenschaftliche Ader
über, die auch an dem Vater in dessen jüngeren Jahren
beobachtet und bezeugt wird. Der zweite Sohn Botho (geb. am 10.
Dezember
1548) verstarb am 29. März 1577 infolge einer Verwundung auf der
Jagd. Der dann folgende dritte Sohn Johann (geb. am 1. Oktober 1549,
gest. zu Wernigerode am 30. Juli 1612), der in jüngeren Jahren
vorübergehend dem Könige von Frankreich Kriegsdienste
leistete, empfand später bei seinem Regiment den Mangel einer
nicht
zulänglichen wissenschaftlichen Vorbildung. Im Gegensatz dazu
erschien Wolfgangs jüngster am 29. November 1551 geborener Sohn
Heinrich, der am 16. April 1615 ebenfalls zu Wernigerode verstarb, und
eine tüchtige wissenschaftliche, auch staatswirtschaftliche
Vorbildung bei seinem Vetter Prinz Wilhelm von Oranien genoß, in
geistiger Beziehung als eine Zierde des Hauses Stolberg. Zwischen
Johann
und Heinrich wurde dem Grafen Wolfgang am 29. Dezember 1550 eine
Tochter Anna geboren, die am 29. Januar 1623 als Dechantin des
freiwilligen Stifts Quedlinburg verstarb.
Nur noch wenige Monate waren dem rastlos wirkenden Grafen Wolfgang nach
der Geburt des jüngsten Sohnes beschieden. Als er es der
öfteren Durchzüge von Kriegsvolk wegen glaubte wagen zu
dürfen, hatte er sich im Februar 1552 von Stolberg nach Allstedt
begeben, um die wirtschaftlichen Verhältnisse in dieser
Pfandschaft, die durch den Krieg zwischen den sächsischen Vettern
geschädigt waren, zu ordnen. Seine Kräfte waren durch die
überaus großen Mühen des Haushalts, besonders aber
wegen
des unablässigen Sorgens und Ringens um die Erhaltung des Glaubens
oder Kredits vor der Zeit erschöpft. Der noch nicht
fünfzigjährige war schon ergraut, oder es waren ihm, wie er
seinem Bruder Ludwig schrieb, die "Kirchhofsfedern" - die weißen
Haare gewachsen. "Unversehens" - ohne längeres Siechtum - wurde
er,
vermutlich infolge eines Schlaganfalls, den Seinigen und dem ganzen
Hause Stolberg zum großen Schaden der Zeitlichkeit genommen. Der
Tod erfolgte jedoch nicht so plötzlich, dass er nicht noch Zeit
gefunden hätte, sein Haus zu bestellen. Als er am 6. März
1552
sein Ende bestimmt voraussah, ordnete er durch mündliche
Anweisung an die Seinigen einige Angelegenheiten, die ihm besonders am
Herzen lagen. Die Stiftungen, die er für die Hospitäler
zu Stolberg und Wernigerode gemacht hatte, und die wegen Mangels an
Mitteln bisher nicht hatten voll ins Werk gerichtet werden konnten,
sollten hinfort gebessert und gesteigert werden. Seiner Gemahlin
Testament soll für voll gehalten werden. Er bestimmt für sie
auch noch Behausungen zu Stolberg und Wernigerode und tausend Gulden
aus
dem Drahthandel. Alles Übrige soll den Kindern zum Besten bleiben
und kommen. Zu Vormündern bestimmt er den Grafen Fritz Magnus zu
Solms, alle seine stolbergischen Brüder und seinen Rat Dr. Franz
Schüßler. Noch zuletzt beschäftigten ihn des Hauses
Stolberg Schulden und Gegenschulden oder Forderungen. Zwei Tage
später, am 8. März, verschied er, seine Gemahlin Genoveva
folgte ihm, allzu früh für die fünf unerwachsenen
Kinder,
bereits am 26.Juni 1556 im Tode nach.
Graf Wolfgang hat während seines Regiments viel gebaut, meist zu
wirtschaftlichen und gewerblichen Zwecken. Als Prachtbau ist aber der
am
Stammschloß Stolberg hervorzuheben, der 1539 begonnen wurde.
Unter Graf Wolfgang hatte das Haus Stolberg den Höhepunkt seiner
früheren geschichtlichen Entwicklung erreicht. Ganz abgesehen von
der gesamten Hand an den Königsteinschen und von den
Mark-Rochefortschen Graf- und Herrschaften hatte Graf Wolfgang und das
Haus Stolberg die Grafschaften Stolberg und Wernigerode zu beiden
Seiten
des Harzes inne. An Wernigerode schloß sich im Süden das Amt
Elbingerode an, ebenso im Norden Schauen und Stapelburg. Im Süden
des Gebirges kam zu der Grafschaft Stolberg mit allem Zubehör noch
das Amt Bärenrode im Anhaltischen und die wertvolle Pfandschaft
Allstedt. Die Herrschaft Frohndorf bei Weißensee hatte zwar Graf
Botho an die von Werther verkauft, doch waren Steuer und Salze
vorbehalten.
Graf Wolfgang hatte die kirchliche Visitation 1539/40 im Frohndorfschen
dem Herzoge Heinrich von Sachsen gegenüber behautet, war dann aber
auch durch die Schatzungen daselbst in dem Kriege zwischen Moritz und
Johann Friedrich von Sachsen in Mitleidenschaft gezogen. Auch die
Hennebergischen Erbansprüche, welche dem Hause Stolberg durch
Testament von Wolfgangs Schwager Graf Albrecht von Henneberg
zugewachsen
waren, vererbten auf seine Nachkommen. Unerwähnt mag auch nicht
bleiben, dass durch das innige Vertrauen von Wolfgangs Schwester, der
Äbtissin Anna, die quedlinburgischen Dinge im engen Anschluß
an das Haus Stolberg und Wernigerode geschlichtet wurden. Diese Summe
von Besitzungen und Gerechtsamen, die in Graf Wolfgangs allgemein
geachteter und angesehener Person einheitlich zusammengefasst waren,
büßten mit seinem Ableben ihre eigentliche Bindung ein. Auch
der Kranz und Bund der Harzgrafen, worin er ohne Zweifel das
angesehenste Glied gewesen war, zerging nach seinem Tod bald. Die durch
ihn begründete Harzlinie erlosch mitten in der Zeit des
großen deutschen Krieges mit seinem Enkel Wolf Georg, Graf
Johanns
einzigem Sohne, am 11. September 1631, und es folgte seines Bruders
Heinrich jüngerer Sohn Christoph von der Rheinlinie als Stammvater
des von da ab sich weit verzweigenden Hauses Stolberg.
Bereits im Jahre 1587 hat Graf Wolfgang sich im Pelz malen lassen, doch
scheinen die uns von ihm bekannten Ölbildnisse - Bruststücke
-
auf gräflich stolbergischen Schlössern - so zu Stolberg und
Wernigerode - auf die Zeit nach seiner Vermählung mit Genoveva von
Wied zu weisen, so dass zu Wernigerode, wo das Bild seiner Gemahlin als
Gegenstück neben dem seinigen hängt. Er erscheint hier als
gereifter schöner Mann von gedrungener Gestalt und ernstem
Gesichtsausdruck. Die nach der brüderlichen Einigung vom Jahre
1548
gefertigte Schaumünze glaubten und glauben wir dem Bruder
Ludwig zuweisen zu müssen (vgl. Harzzeitschrift 12/ 1879, S. 612
m.Abb.1 u. 3 auf der zugehörigen Lichtdrucktafel). Von
Vervielfältigungen im Druck ist uns nur eine in beschränkter
Zahl abgezogene Beigabe zu unserer Geschichte des Schützenwesens
in
Veckenstedt bekannt.
Zeitfuchs, Stolb. Stadt- und Land-Historie, Frankfurt u.
Leipzig 1717, S. 51f, - E.Jacobs, die Stolbergische Hochzeit auf
Schloß Wernigerode, Harzzeitschrift 7 (1874), S. 1-50; Zur
Geschichte des Harzischen Handels, das. 2 (1869), 3,144-160. -
G.Schmidt, Die Grafschaft Stolberg zu Ausgang des Schmalkalder Kriegs,
Harzzeitschrift 6 (1873), S. 75-85. - Karl Schöppe, Zur Gesch. der
Reformation von Naumburg, neue Mittheil. des Vereins f. Thür.
-Sächs. Gesch. XX (1890), S. 364. - Köster, Beiträge zur
Reformationsgeschichte Naumburgs bei Brieger-Beß, Zeitschr. f.
Kirchengesch. Bd. XXII, S. 145-159, 278 - 330. - Die vorliegende
Darstellung beruht meist auf ungedruckten Quellen der fürstlichen
Archive zu Stolberg und Wernigerode und einem daraus gesammelten
Briefwechsel.
Ed. Jacobs